Impuls / Fotostrecke

Film, Fotos und Zukunftsfragen: Urbanes Kulturfestival erweckt leerstehendes Einkaufszentrum im Schelmengraben zum Leben

Mitten im Herzen des Schelmengrabens, in einem verlassenen Einkaufszentrum, entstand für einen Abend ein Ort voller Leben und Kunst. Wo sonst leerstehende Läden und Verfall das Bild prägen, versammelten sich rund 150 Menschen zu einem urbanen Kulturfestival, das ehrliche Geschichten, Gemeinschaft und Zukunftsfragen in den Mittelpunkt stellte.

Von: |Erschienen am: 4. August 2025 18:55|

Fotos: Otto Witte

Das verfallene Einkaufszentrum in der Karl-Marx-Straße 53–57, mitten in der Wiesbadener Siedlung Schelmengraben, wurde am vergangenen Samstag, 2. August, zum pulsierenden Treffpunkt für Kunst, Film und Dialog. Wo sonst leerstehende Läden, dunkle Passagen und das marode „Rote Hochhaus“ das Bild prägen, setzte ein urbanes Kulturfestival ein starkes Zeichen: für Teilhabe, Gemeinschaft und die Kraft kreativer Impulse.

Organisiert wurde die Veranstaltung rund um die Jugendlounge „W7“ – dem letzten aktiven Treffpunkt im Zentrum. Rund 150 Besucherinnen und Besucher, vorwiegend aus dem Quartier selbst, folgten der Einladung. Die Resonanz: überwältigend.

„Schelmo Bruder“ – Film aus dem Viertel, für das Viertel

Zentraler Programmpunkt war die Premiere des Dokumentarfilms „Schelmo Bruder“ von Künstler und Regisseur Lenny Westend. In enger Zusammenarbeit mit den Jugendlichen vor Ort entstand ein sensibles Porträt des Schelmengrabens – jenseits von Stigmatisierung und Sozialromantik.

Der Film erzählt von Freundschaft, Perspektivsuche, kleinen Momenten der Wärme, aber auch von Ängsten vor Ausgrenzung und einer ungewissen Zukunft. Was ihn besonders macht: Die Authentizität. Denn Westend hat sich über Monate eingebracht, Beziehungen aufgebaut und mit den Jugendlichen auf Augenhöhe gearbeitet – was den Zugang zum echten Leben im Quartier erst möglich machte.

Gesichter des Viertels – in Bildern festgehalten

Begleitet wurde das Projekt von den Fotografen Daniel von Hoeßle und Nico Joel Helbling, die mit analogen Kameras eindrucksvolle Porträts und Alltagsszenen einfingen. Ihre Fotografien wurden in der Passage des Einkaufszentrums ausgestellt – als Galerie unter freiem Himmel, mitten im sonst oft gemiedenen Herz des Viertels.

Die Bilder zeigten, was sonst kaum jemand sieht: Würde, Stolz, Verletzlichkeit – und das echte Leben hinter den Fassaden. Viele Gäste fanden sich selbst oder Freunde in den Aufnahmen wieder – was für intensive Gespräche und emotionale Momente sorgte.

Musik, BBQ und offene Gespräche

Neben Film und Fotografie wurde gefeiert. Der Rapper Maras, selbst im Schelmengraben aufgewachsen, sorgte mit ehrlichen Texten und Beats für musikalische Nähe. Ein DJ legte sommerliche Vibes auf, während draußen der Grill brannte. Kaltgetränke, Snacks und der Community-Geist machten die Veranstaltung zu einem warmen, fast familiären Erlebnis.

Dass dieser Abend in einem so heruntergekommenen Areal stattfand, war kein Zufall – sondern bewusstes Statement: Gerade dort, wo lange Stillstand herrschte, braucht es neue Impulse. Die Veranstaltung zeigte, wie viel Energie entsteht, wenn Menschen vor Ort selbst gestalten können.

Ein Ort im Wandel – mit ungewisser Zukunft

Aktuell plant die Stadt Wiesbaden, das Areal des roten Hochhauses und des Einkaufszentrums zu erwerben. Die Hoffnung: Ein umfassender städtebaulicher Neuanfang. Viele Bewohnerinnen und Besucher wünschen sich das seit Jahren – nicht nur bessere Wohnverhältnisse, sondern auch echte Mitgestaltung.

Die Veranstaltung war mehr als ein Kulturabend – sie war ein Impuls, der zeigte, was möglich ist. Und vielleicht ein Vorgeschmack auf das, was entstehen kann, wenn ein Quartier ernst genommen wird.

Ein besonderer Abend voller Begegnung, Kunst und ehrlicher Stimmen aus dem Viertel. Die Menschen im Schelmengraben haben gezeigt: Sie sind bereit für Veränderung – und sie haben mehr zu erzählen, als viele glauben. Jetzt liegt es an der Stadt, diese Stimmen nicht ungehört zu lassen.

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