Konzept

DesignDialog zeigt, wie Innenstädte morgen aussehen könnten

Wie kann die Innenstadt von Wiesbaden künftig aussehen, jenseits von Konsum und reiner Wohnnutzung? Beim DesignDialog des Stadtmuseums am Markt diskutierten Experten über das Leitbild der „produktiven Stadt“. Dabei ging es um neue Mischungen von Wohnen, Arbeiten und Kultur, um kreative Nutzung von Leerständen und um die Frage, wie urbane Räume resilienter und nachhaltiger gestaltet werden können.

Von: |Erschienen am: 4. Dezember 2025 08:23|

Foto: Stiftung Stadtmuseum Wiesbaden / Jason Sellers

Das „sam – Stadtmuseum am Markt“ lud am Dienstag, 2. Dezember, zum DesignDialog ins Haus der Architekten ein.

Unter dem Leitgedanken „Gestalten wir, wie wir leben wollen“ stand die Frage im Mittelpunkt, wie sich Städte künftig entwickeln und welche Rolle das Konzept der „produktiven Stadt“ dabei spielt.

Fragen an die Stadt von morgen

Diskutiert wurde, wie urbane Zukunftsstrategien entstehen, welche Strukturen und Akteure dafür notwendig sind und welche Impulse aus anderen Städten übernommen werden können.

Vor allem die Weiterentwicklung der Wiesbadener Innenstadt bildete den Kern der Debatte.

Expertenrunde im Haus der Architekten

Vor einem voll besetzten Saal kamen Fachleute aus Stadtplanung, Architektur, Forschung, Kultur und Stadtgesellschaft zusammen.

Die Moderation übernahm Andrea Jürges, stellvertretende Direktorin des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt. Begrüßt wurden die Gäste von Prof. i.V. Torsten Becker (AKH) und Sabine Philipp, Direktorin des sam.

Renaissance der produktiven Stadt

Das Leitbild der produktiven Stadt gewinnt aktuell wieder an Bedeutung. Gemeint ist eine urbane Struktur, in der Wohnen und Arbeiten nicht strikt getrennt sind.

Kleinteiliges Handwerk oder urbane Landwirtschaft sollen ihren Platz in zentralen Lagen zurückerhalten. Vorteile sind kürzere Wege, widerstandsfähigere Quartiere, soziale Vielfalt und neue Impulse für nachhaltige Stadtentwicklung.

Fachkräftemangel und Leerstände

Stadtforscherin Francesca Ferguson, Leiterin der Berliner Initiative Make_Shift gGmbH, betonte: „Die produktive Stadt ist eine notwendige Antwort auf drei gleichzeitig auftretende Krisen: den Mangel an Fachkräften im Handwerk, das Verschwinden von Kleinbetrieben aus den Innenstädten und die fehlende nachhaltige urbane Nahrungsmittelproduktion.“

Sie plädierte für neue urbane Mischungen, die Öffnung von Erdgeschossen und Innenhöfen für Kleingewerbe sowie die kreative Nutzung von Leerständen: „Mit gezielt verhandelten Nutzungen und Pop-up-Leases können wir Handwerk und Kleingewerbe zurück ins Zentrum bringen, das Potenzial von Leerständen aktivieren und damit mit Transparenz gegen den Fachkräftemangel wirken.“

Kommunale Perspektive

Auch aus Sicht der Stadtplanung ist das Thema zentral. Constanze Paffrath, Abteilungsleiterin Städtebau im Stadtplanungsamt Wiesbaden, erklärte:

„Die Stadt der Zukunft folgt dem Leitbild der europäischen Stadt und ist damit die nachhaltigste und schönste Form des Zusammenlebens.“ Die Herausforderung bestehe darin, „Strategien zu entwickeln und umzusetzen, die ein gerechtes und nachhaltiges Zusammenleben in der Stadt für alle Bevölkerungsgruppen ermöglichen.“

Wandel der Innenstädte

Professor Philipp Krass von berchtoldkrass space&options (Karlsruhe) und Lehrender an der Ostschweizer Fachhochschule in Rapperswil skizzierte die Veränderungen: „Neue Mischungen werden nötig und möglich. Die Innenstädte werden weniger konsumorientiert, die Randbereiche lebendiger und vielfältiger.“

Er prognostizierte eine abnehmende Bedeutung des Handels, während Bildung, Kultur und verträgliche Produktion neue Räume füllen könnten. „In den Wohnquartieren wird – zumindest zeitweise – auch gearbeitet werden, was neue Anforderungen an das Wohnumfeld stellt“, so Krass. Anpassungen an den Klimawandel würden die Stadt zugleich grüner machen.

Innenstadt als Gemeinschaftsaufgabe

Torsten Becker, Vorstandsmitglied der AKH, hob hervor: „Die produktive Stadt von morgen setzt eine neue Idee des Innenstadtversprechens voraus. Lebensmodelle, Arbeitswelten und Freizeitansprüche verändern sich fortlaufend. Dieser Wandel will vorausschauend gestaltet werden.

Gute Planung fördert eine qualitätvolle Gestaltung der gebauten Umwelt, hilft politische Ziele zu vermitteln und schafft Akzeptanz. Innenstadt ist eine Gemeinschaftsaufgabe, denn gute Planung kann nur im Netzwerk interdisziplinärer Akteurinnen und Akteure gelingen.“

Vernetzung

Der DesignDialog, ausgezeichnet als Projekt der World Design Capital 2026 Frankfurt RheinMain, bot eine Plattform für Austausch und Vernetzung. Sabine Philipp, Direktorin des sam, betonte:

„Als ein aktuelles Stadtmuseum wollen wir nicht nur auf die Vergangenheit blicken, sondern ebenso Impulse für das Morgen setzen. Wir wollen einen ‚Vierten Raum‘ schaffen, der den Austausch über aktuelle gesellschaftliche Fragen fördert und an dem neue Ideen für die Zukunft entwickelt werden können.“

Ausblick

Sie kündigte an: „Der DesignDialog des sam wird auch in 2026, im Rahmen der WDC 2026 stattfinden, dann im ehemaligen Sportscheck-Gebäudes in der Langgasse 5-9.

Dort wird sich das Erdgeschoss von Mai bis Ende Oktober in einen ‚Vierten Ort‘ verwandeln, an welchem sich die verschiedensten Projekte des WDC 2026 aus Wiesbaden und Umgebung unter dem Motto ‚Looking forward – Das Morgen gemeinsam gestalten‘ präsentieren und alle Bürgerinnen und Bürger zum Mitmachen einladen. Man darf gespannt sein.“

Mehr als ein Konzept

Das große Interesse der Besucher zeigte: Die produktive Stadt ist nicht nur ein planerisches Modell, sondern ein sozialer und kultureller Auftrag.

Für Wiesbaden bedeutet dies, Leerstände neu zu denken, Handwerk zu stärken, klimafreundliche Quartiere zu entwickeln und Kulturangebote nachhaltig einzubinden.

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