Sicherer Konsum

Gesundheitsamt startet Pilotprojekt für Drug Checking

Wiesbaden testet ab kommenden Monat ein Drogen-Qualitätskontrolle-Projekt, das Substanzen auf Zusammensetzung prüft, Konsumenten aufklärt und den Kontakt zur Suchthilfe erleichtert. Ein bundesweit einmaliger Ansatz zur Schadensminderung.

Von: |Erschienen am: 23. September 2025 13:39|

Symbolfoto: Canva

Die Landeshauptstadt Wiesbaden führt ab Oktober eine Pilotphase für ein bisher einmaliges Drug Checking-Projekt in Hessen ein. Ziel ist es, Risiken im Nachtleben zu reduzieren und Konsumenten niedrigschwellig über Substanzen aufzuklären.

Kooperation für Schadensminderung

Das städtische Gesundheitsamt arbeitet eng mit dem Suchthilfezentrum Wiesbaden, JJ e.V., der Fachambulanz für Suchtkranke der Caritas, dem Frankfurter Verein basis e.V. und Teilen der Wiesbadener Clubszene zusammen.

Im Rahmen eines kommunalen Modellprojekts zur Schadensminderung soll ein Konzept erprobt werden, das sowohl Substanzanalysen als auch Beratung umfasst.

Drug Checking als Instrument

Drug Checking ermöglicht Konsumierenden, ihre Substanzen auf Wirkstoffgehalt und Zusammensetzung prüfen zu lassen, um gesundheitsgefährdende Beimischungen frühzeitig zu erkennen. Studien zeigen, dass die Rückmeldung der Analyseergebnisse häufig zu reflektierterem Konsumverhalten oder sogar zum Verzicht auf den Konsum führt.

Da eine Landesverordnung nach Paragraf 10b Betäubungsmittelgesetz noch aussteht, konzentriert sich die Pilotphase zunächst auf Cannabisprodukte. Sobald die Verordnung erlassen wird, können die Abläufe auf weitere im Nachtleben verbreitete psychoaktive Substanzen ausgeweitet werden.

Ziele des Drug Checking Projekts

Das Projekt verfolgt sechs zentrale Ziele:

  1. Reduktion gesundheitlicher Risiken: Chemische Analysen sollen gefährliche Beimischungen, Verunreinigungen oder Dosierungsschwankungen frühzeitig identifizieren und Konsumierende aufklären.
  2. Aufklärung und Risikobewusstsein stärken: Persönliche Beratungsgespräche informieren über Wirkstoffe, Konsumrisiken und Strategien zur Schadensminderung.
  3.  Niedrigschwelliger Zugang zur Suchthilfe: Das Angebot schafft Kontaktmöglichkeiten für Menschen, die klassische Präventionsangebote selten nutzen, und erleichtert den Zugang zu weiteren Hilfsangeboten.
  4. Verantwortungsvolle Clubkultur fördern: Clubs als Partner stärken einen risikobewussten, wertschätzenden Umgang mit Konsumrealitäten, ohne Drogenkonsum zu befürworten.
  5. Evaluation von Akzeptanz und Effekten: Digitale Fragebögen vor und nach der Teilnahme ermöglichen die Auswertung von Nutzung, Akzeptanz sowie Auswirkungen auf Wissen und Verhalten.
  6. Perspektiven für ein dauerhaftes Angebot prüfen: Die Ergebnisse dienen als Grundlage für politische und fachliche Überlegungen, ob ein langfristiges Drug-Checking-Angebot in Wiesbaden sinnvoll ist.

Durchführung der Testungen

Die Analysen werden vom Frankfurter Kooperationspartner basis e.V. übernommen, der über langjährige Erfahrung sowie die notwendige technische Ausstattung und Expertise verfügt.

Die anschließenden Gespräche zur Besprechung der Ergebnisse und zur Beratung erfolgen in Zusammenarbeit mit dem Suchthilfezentrum Wiesbaden, JJ e.V. und der Fachambulanz für Suchtkranke der Caritas.

Information und Beratung in Clubs

Parallel bieten die Clubs Informations- und Beratungsstände des Projekts Safe Party People für alle Veranstaltungsteilnehmenden an. Dort werden Themen wie Drogen, Suchtgefahren und Safer Use vermittelt. Im Vorfeld werden Schulungen für das Clubpersonal und alle am Drug Checking beteiligten Personen durchgeführt.

Alle Testungen, Beratungsgespräche und Befragungen in Form von Online-Fragebögen erfolgen anonym. Es werden keine personenbezogenen Daten gespeichert, die Rückschlüsse auf einzelne Personen zulassen. Die gesammelten Informationen dienen ausschließlich der Evaluation des Projekts. Die Pilotphase umfasst zehn Veranstaltungen. Die Termine und die teilnehmenden Clubs werden nicht im Voraus bekanntgegeben. Durch diese Vorgehensweise soll ein unverfälschtes Bild des Konsumverhaltens in Wiesbadener Clubs für die Evaluation sichergestellt werden.

Wiesbaden übernimmt Vorreiterrolle beim Drug Checking

Milena Löbcke (Die Linke), Gesundheitsdezernentin der Landeshauptstadt Wiesbaden, betont die Bedeutung des Pilotprojekts: „Mit unserem Pilotprojekt zum Drug Checking nimmt Wiesbaden hessenweit eine Vorreiterrolle ein. Es ist unser erklärtes Ziel individuelle und gesellschaftliche Risiken bei Drogenkonsum zu verringern. Diese entstehen oftmals durch Überdosierungen, gefährliche Beimischungen und Verunreinigungen. Diese Risiken können wir mit Drug Checking wirksam verringern. Zugleich bietet der Erstkontakt zur Suchthilfe im Partysetting eine niedrigschwellige Zugangsmöglichkeit für Konsumenten.“

Prävention und Gesundheitsschutz

Weiter erklärt die Linken-Politikerin: „Ich freue mich deshalb umso mehr, dass wir zusammen mit Suchthilfezentrum, Fachambulanz, Gesundheitsamt und unserem Frankfurter Kooperationspartner basis e.V. nun ein solides Modell vorzeigen können, welches hoffentlich in naher Zukunft in Wiesbaden verstetigt und für viele Kommunen eine Vorbildwirkung entfalten kann. Wichtig ist dabei auch, dass die Landesregierung endlich Drug Checking-Modellprojekte auch für nicht-legale Substanzen auch in Partysettings ermöglicht. Denn gerade hier kann ein solches Angebot tatsächlichen Gesundheitsschutz und einen Mehrwert für die Präventionsarbeit mit sich bringen.“

Risiken reduzieren und Realität anerkennen

Prof. Dr. René-Maxime Gracien, Amtsleiter des Wiesbadener Gesundheitsamtes, erklärt: „Drug Checking kann das Risiko beim Konsum psychoaktiver Substanzen wirksam reduzieren, ein Restrisiko besteht aber immer. Empfehlenswert bleibt daher der vollständige Verzicht auf Rauschmittel – einschließlich Alkohol und Cannabis.

Die Realität ist aber natürlich auch in Wiesbadens Nachtleben eine andere. Deshalb sehen wir die Notwendigkeit der Schadensminderung und werden als Gesundheitsamt hieran mitwirken.“

Aufklärung und Prävention stärken

Ina Buttler, Leiterin des Suchthilfezentrums Wiesbaden, betont die präventive Wirkung: „Als Fachstelle für Suchtprävention der Stadt Wiesbaden wissen wir: Wo Rauscherleben ist, ist auch Risiko. Wenn Konsumenten die Möglichkeit bekommen, die Risiken ihres Substanzkonsums zu reduzieren, ist das ein wichtiger Beitrag zur Suchtprävention.

Für die Beratung von Klienten spielt die individuelle Selbstachtsamkeit und die Festigung der Eigenregulation eine entscheidende Rolle: Drug-Checking setzt genau hier an: Die Konsumenten erhöhen ihren Kenntnisstand bezgl. der jeweiligen Substanzzusammensetzung, es wird das Bewusstsein für Gefährdungen geschärft und bei persönlichen Problemlagen auf Wunsch ein Kontakt zur Suchtberatung gebahnt.“

Signalwirkung für Politik und Suchthilfe

Cathrin Fehl, Leiterin der Fachambulanz für Suchtkranke, erläutert: „Als Beratungs- und Behandlungseinrichtung für Menschen mit stoffgebundenen und stoffungebundenen Störungen finden wir es unterstützenswert, dass die Stadt Wiesbaden sich mit dieser Konsumrealität auseinandersetzt und mit dem Pilotprojekt Drug Checking ein wichtiges Signal sendet.

Mit Drug Checking schaffen wir nicht nur einen konkreten Beitrag zur Schadensminimierung, sondern setzen auch ein Zeichen, dass Suchthilfe und Politik gemeinsam Verantwortung übernehmen. Wiesbaden ist bereit neue Wege einzuschlagen und dabei konsequent Gesundheitsschutz und Prävention in den Mittelpunkt zu stellen.“

Frühe Sensibilisierung junger Menschen

Karsten Tögel-Lins, Geschäftsführer von Basis – Beratung, Arbeit, Jugend und Kultur e.V., ergänzt: „Integratives Drug Checking sensibilisiert junge Menschen für die Risiken des Konsums psychoaktiver Substanzen.

Es reduziert Konsum und bietet die Möglichkeit sehr früh mit der Zielgruppe ins Gespräch zu kommen und Harm Reduction-Botschaften oder sogar Alternativen zum Konsum zu vermitteln. Wir freuen uns sehr, zusammen mit der Stadt Wiesbaden einen wichtigen Schritt zur Implementierung eines solchen Angebots gehen zu dürfen.“

Weitere Infos

Hier ist der Link zu weiteren Informationen: Drug Checking FAQ

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